Gelebte Inklusion beim Kanu-Club Fulda - Höhepunkt: Los Angeles

25.11.15 - In seinem Zimmer hängen zahlreiche Medaillen, ein Wimpel und auf einem Regal stehen zwei Pokale. Die hat er vor kurzem auf der Sportlerehrung der Stadt Fulda bekommen. André Walter ist ein erfolgreicher Kajakfahrer vom Kanu-Club Fulda. Bei den Special Olympics in diesem Sommer in Los Angeles holte er die Silbermedaille. Für diesen Erfolg wurde Walter kürzlich von der Stadt Fulda zum Sportler des Jahres ausgezeichnet.

„Ich war total überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, dass es ein Radfahrer oder Marathonläufer wird“, beschreibt André Walter den Moment, als die Entscheidung verkündet wurde. Sein Erfolg bei den Special Olympics hat die Jury dazu bewogen, den Sportler vom Kanu-Club Fulda auszuzeichnen. In Los Angeles holte er sich im Zweier-Kajak über 200 Meter den zweiten Platz, über 200 Meter und 500 Meter im Einer-Kajak verpasste er nur ganz knapp das Podium. „Das war ein einmaliger Erfolg“, sagt Walter über die zwei Wochen in den USA.

Er erzählt wie  einmalig überhaupt alles im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schien. „In den USA ist alles eine Nummer größer. Das haben auch wir gemerkt. In der ganzen Stadt wurde Werbung für die Special Olympics gemacht“, erzählt Johannes Halbig, Betreuer von André Walter in der Lebensgemeinschaft Richthof (Gemeinde Schlitz, Vogelsbergkreis), in der Menschen mit geistiger Behinderung leben. Aufgezogen wurden die „Weltspiele“, wie sie offiziell heißen, nicht weniger pompös als die Olympischen Spiele. „Der Einlauf ins Stadion, die Eröffnungsshow, das Entzünden des Feuers. Es war alles so, wie man es von den Olympischen Spielen kennt“, sagt Halbig. Und auch der Zyklus richtet sich nach Olympia: alle vier Jahre werden die Weltspiele ausgetragen. 7.000 Athleten aus 177 Nationen nahmen in Los Angeles teil. „Wir sind dorthin geflogen, um Spaß zu haben und mit anderen Sportlern ein tolles Fest zu feiern. Die Special Olympics sind noch relativ familiär“, erzählt Halbig weiter. Einen olympischen Eid gibt es natürlich auch: „Lasst mich gewinnen, doch wenn ich nicht gewinnen kann, lasst mich mutig mein Bestes geben!“ Für André Walter war es vor allem der Kontakt mit den anderen Athleten, der für ihn besonders war – auch wenn es sprachliche Hürden zu überwinden galt. „Wir haben uns über Handys unterhalten, das wurde dann übersetzt“, erzählt der erfolgreiche Sportler, der zum ersten Mal in seinem Leben geflogen ist – „das war total spannend.“ Ob er in vier Jahren erneut bei den Weltspielen starten kann, ist hingegen noch offen.

André Walter flachst mit seinem Betreuer Johannes Halbig

In der Lebensgemeinschaft arbeitet Walter in der Tischlerei

André Walter mit dem Wanderpokal der Stadt Fulda und dem Pokal für den Sportler des ...Foto: Carina Jirsch

Durch seinen Betreuer Johannes Halbig, seit Jahren passionierter Wassersportler, kam Walter, der seit fünf Jahren im Richthof lebt, einst zum Kanusport. „Das Schönste an dem Sport ist, dass man auf dem Wasser ist. Das gefällt mir sehr gut und dass man mit vielen Leuten Kontakt hat“, erzählt Walter, warum er dem Sport die Stange hielt. Denn ursprünglich war er Leichtathlet, bevor er seine neue Leidenschaft entdeckte. „André ist ein Naturbursche, der Sport liegt ihm total“, erzählt Halbig über seinen Schützling, der auch beim Fußball in der Lebensgemeinschaft im Tor steht. Eben ein Sportler durch und durch.

Mit dem Kanu-Club Fulda haben sie einen Verein gefunden, der das Thema Inklusion vorbildlich umsetze. „Was der Verein in dieser Hinsicht leistet, ist klasse. Harald Piaskowski (Vorstand, Anm. d. Red.) ist sehr engagiert und trägt den Gedanken auch an Vereine außerhalb weiter“, lobt Halbig das Engagement. Etwa 15 bis 20 Mitglieder umfasse das 'KCF-Special-Olympics-Team' - eine Kooperation mit dem Antoniusheim in Fulda und dem Richthof in Schlitz. Zur Vorbereitung auf die Weltspiele habe der Kanu-Club drei Trainer gestellt, um die Vorbereitung optimal zu gestalten. Vor allem Julius Zentgraf habe sich ordentlich ins Zeug gelegt und Walter zur Höchstform getrieben. „Als wir erfuhren, dass André daran teilnehmen kann, haben wir den ganzen Winter trainiert“, sagt Johannes Halbig. Mindestens einmal die Woche wurde geschwitzt und der nahe gelegene Vordersee diente als Teststrecke. Als André Walter mit der Medaille zurück in die Heimat kam, organisierte sein Klub einen Sektempfang, um auf seinen Erfolg anzustoßen.

Und auch in der Lebensgemeinschaft war Walter beliebter Gesprächspartner, erst recht nachdem er noch zum Sportler des Jahres ausgezeichnet wurde. „Das Telefon hat ständig geklingelt. Als erstes hat mein Bruder angerufen“, erzählt Walter, der in der Tischlerei im Richthof arbeitet. „Mein Vater ist Förster, da war das ja klar“, erklärt Walter, der seinen Sport über Sponsoren finanziert. „Das läuft über private Gönner, die Stadt Fulda und den Deutschen Kanuverband“, führt Halbig aus. Die Unterstützung vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), unter dessen Dach die Kanuten antreten, ließe zu wünschen übrig, weshalb man alternative Wege gehen müsse.

Das nächste große Ziel für André Walter, der bisher 18 Medaillen bei verschiedenen Wettkämpfen gewann, und Johannes Halbig heißt Hannover: dort finden im Juni nächsten Jahres auf dem Maschsee die nationalen Special Olympics, die alle zwei Jahre ausgetragen werden, statt. „Es ist geplant, eine Deutsche Meisterschaft ab 2017 auszutragen“, sagt Halbig über die angestrebten Entwicklungen in ihrer Sportart. Seinen ersten Wettkampf absolvierte André Walter einst auf der Olympia-Strecke in München, bei dem er gleich dreimal die Goldmedaille holte. Es waren die ersten Erfolge für André Walter, der in Los Angeles am vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere angekommen ist. (Tobias Herrling) +++