Belek. Deutschlands Topathleten küren den Potsdamer zu ihrem Besten. Der Olympiasieger, Welt- und Europameister zieht Kraft aus der Familie.

Manchmal sind es Zufälle, die zum Startschuss einer großen Sportlerlaufbahn werden. Weil in der Nachwuchsgruppe des PCK Schwedt im Zweier-Canadier einst Not am Mann war, sagte ein Trainer zu einem damals elfjährigen Kajak-Fahrer: „Knie dich mal hin, Sebastian!“

Eigentlich wollte er nur sehen, wie der sich wohl anstellen würde beim Umstieg in die viel kompliziertere Bootsklasse. Der Wechsel klappte allerdings so gut, dass Sebastian Brendel von da an die Stellung gehalten hat.

Weil er sich buchstäblich reingekniet hat, ist der inzwischen 27-Jährige zum besten Einer-Canadier der Welt geworden.

Zwölf WM- und 16 EM-Medaillen

Seine Leistung imponiert offenbar auch anderen deutschen Topsportlern. Sie kürten ihn in Belek/Türkei bei ihrer alljährlichen Wahl zum „Champion des Jahres“.

„Sebastian ist für alle ein Vorbild“, sagt der Berliner Marcus Groß, selbst Weltmeister im Kanu-Zweier, „ich weiß, wie hart er für den Erfolg schuftet.“

Ein großer Triumph: Im Juni holte Sebastian Brendel Gold im Canadier Einer über 1000 Meter bei den Europaspielen in Baku
Ein großer Triumph: Im Juni holte Sebastian Brendel Gold im Canadier Einer über 1000 Meter bei den Europaspielen in Baku © dpa | Sergey Dolzhenko

Brendels Vormachtstellung ist auch beeindruckend. „Diese und die letzte Saison sind für mich perfekt gelaufen“, sagt der 27-Jährige. Da war der mittlerweile für den KC Potsdam startende Brandenburger Welt- und Europameister über die 1000 und die 5000 Meter geworden. Insgesamt hat er in seiner Karriere zwölf WM- und 16 EM-Medaillen gewonnen.

Olympiasieg in London als Krönung

Als Krönung gelang ihm 2012 in London der Olympiasieg, den er im nächsten Jahr in Rio de Janeiro gern wiederholen möchte. Brendel ist ähnlich dominant wie sein Vorgänger Andreas Dittmer, der 2008 mit dem Rennsport aufhörte. Er war übrigens 2001 Champion des Jahres.

„Von anderen Sportlern gewählt worden zu sein, bedeutet mir sehr viel“, sagt der ansonsten eher scheue Brendel, „es ist für mich eine der bedeutendsten Auszeichnungen im deutschen Sport.“

Neben der Ehre gewann er einen Kleinwagen, einen Urlaub seiner Wahl („dann aber mit Familie, ohne Paddeln“) und hat von nun an das Recht erworben, jedes Jahr auf Einladung der Stiftung Deutsche Sporthilfe zur Champions-Wahl mitzureisen.

Die Familie ist immer mit dabei

Eine schöne Sache für den Familienvater, der seine Freundin und die Kinder Hanna und Edwin so oft wie möglich bei sich hat. „Sie sind für mich ein großer Rückhalt, sie geben mir Kraft“, sagt er und berichtet mit Stolz, dass der zweijährige Sohn kein Bobby Car, sondern ein Bobby Boat hat. „Er ist ganz verrückt aufs Paddeln und bockt, wenn er aus dem Boot raus soll, obwohl er längst friert.“

Sebastian Brendel während eines Vorlaufs über 1000 Meter bei den  Deutschen Meisterschaften
Sebastian Brendel während eines Vorlaufs über 1000 Meter bei den Deutschen Meisterschaften © WITTERS | ValeriaWitters

Familie spielt ohnehin eine große Rolle für den Bundespolizisten. Zuletzt zur WM in Mailand hat er sie mitgenommen; nach seinem Olympiasieg in London ließ er sie kurzentschlossen einfliegen, weil er sie vermisste.

Seine Freundin Friederike Leue kennt das Sport-Leistungssystem, akzeptiert, dass Brendel viel unterwegs ist. „Sie weiß, dass ich mich da quäle, nicht auf der faulen Haut liege.“ Sie war selbst als Paddlerin im Juniorenbereich erfolgreich.

Ihr Vater Eckhard Leue war 1980 sogar Olympiadritter im Einer-Canadier, ihr Bruder Erik Leue wurde 2013 Weltmeister im Vierer-Canadier. „Wir sind also eine richtige Kanu-Familie“, sagt Brendel.

Als einmal das Paddel zerbrach

Von nun an gilt die ganze Konzentration der Vorbereitung auf Rio. Das erste größere Trainingslager steht im November in Florida an. Keine Chance auf Familienanschluss, dafür: „Morgens 18 Kilometer in 90 Minuten. Danach haben wir Krafttraining, danach noch mal 70 Minuten auf dem Wasser, die ganze Zeit auf dem Knie.“ Wen wundert es, dass „es da schon mal wund wird“.

Die Quälerei soll sich lohnen – anders als 2011, als Sekunden nach dem Start sein Paddel zerbrach, in wenigen Momenten ein Jahr harte Vorbereitung in Bruchstücke zerfiel. Brendel hat das verarbeitet, aber nicht vergessen.

Das Paddel hat er gewechselt, und seitdem arbeitet er noch konzentrierter, noch intensiver. Denn es ist niemals Zufall, wenn ein Sportler sich jahrelang an der Weltspitze hält wie Sebastian Brendel.