Durchdachte Bildkomposition: Gelungene Fotos machen - das ist Ziel des Outdoor-Fotokurses in Schweden. Foto: Albers

Beim Outdoor-Fotokurs in Schweden lernen die Teilnehmer die Geheimnisse über Belichtung, Bildaufbau - und wie Spannung in die Bilder kommt.

Stömne - Wenn der Wind auffrischt am Stora Gla, hat man eine Menge zu tun auf dem Wasser. Vor allem, wenn man im Kanu unterwegs ist auf diesem großen See im schwedischen Värmland. Über einem eine dunkle Wolkenbank - das ist die Windmaschine. Und ums Kanu Wellen, die das Boot ganz kippelig machen. Da konzentriert man sich doch darauf, schön in der Bootsmitte zu bleiben, um das Boot stabil zu bekommen, und man ackert mit dem Paddel, um Kurs zu halten spitz zu den Wellen und nicht von einer Breitseiten-Woge mitten in das Gewässer von der Größe einer Großstadt gekippt zu werden. Der Stuttgarter Fotograf Thomas Rathay aber steht dann schon mal im Boot oder er lehnt sich so weit heraus, bis die Ärmel durch das Wasser schleifen. Alles kann man halt nicht haben. Die Komfortzone - und gute Natur- und Outdoor-Fotos. Die sind ein Metier von Thomas Rathay. Und Motive auf unzähligen Urlaubsfotos.

Es gibt zwar keine Dia-Abende mehr, aber dass Urlaubsfotos andere zum Gähnen bringen, ist sicher nach wie vor häufig. Thomas Rathay weiß auch, warum: „Wenn man eigene Fotos anschaut, hat man noch die Panoramen und Emotionen im Kopf. Für Fremde aber sind die nur flau und langweilig. Das liegt daran, dass den Fotos die Tiefe, die dritte Dimension fehlt.“ Aber wie bekommt man Tiefe in die Fotos? Genau das will ein kleines Grüppchen wissen, das um den Fotografen herumsitzt. Auf der Veranda eines großen Backsteinhauses in den Hügeln von Stömne: Outdoor-Fotokurs in Schweden. Stömne - das sind eine Handvoll Häuser, schwedenrot auf sattgrünem Rasen am langgezogenen Glafsfjorden, einem der vielen Seen, die die Wälder von Värmland sprenkeln. Stömne war einmal eine große Siedlung, als hier noch eine Papierfabrik in Betrieb war - und die Kinder all der Familien dort in den Backsteinbau zur Schule gingen. Fabrik und Schule sind längst geschlossen, aber immer noch wuselt viel junges Volk durch die Räume, die pfiffig an die Schule erinnern: Im Erdgeschoss-Saal hängen noch Tafel und Landkarten, die Zimmer erinnern noch an frühere Fachräume. In der „Biologi“ etwa stehen noch Einmachgläser mit Formalin, in denen ein fetter Krebs oder eine Schlange liegen.

Für Leute mit Spaß an der Fotografie

Das Haus ist jetzt eine Outdoor-Basis des Münsteraner Veranstalters Rucksack-Reisen. In dem Haus nächtigen die Gäste, statten sich im Schuppen mit Ausrüstung vom Fahrradhelm bis zum Zelt aus und ziehen los: Als Waldläufer über die Wanderwege, als Kanuten auf Flüssen und Seen oder mit dem Fahrrad ins Hinterland. Thomas Rathay, der gerne draußen unterwegs ist, hat schon als Student in den Semesterferien für Rucksack-Reisen Touren geleitet. Und als Fotograf für Rucksack-Reisen die Fotowoche in Schweden konzipiert. Seit zehn Jahren bietet er sie nun an. Für Leute mit Spaß an der Fotografie. Das sind diesmal eine Kinderkrankenschwester, eine Physiotherapeutin, die Schichtleiterin einer S-Bahn, ein Chemieingenieur sowie eine Frau und ein Mann aus der Computerbranche. Ihre Apparate liegen auf dem Tisch: meist solide Mittelklasse. Ein lichtstarkes, teures Objektiv verrät schon mal Ambitionen. Beate, die Kinderkrankenschwester, hat „nur“ eine schmale Kompaktkamera dabei.

Was Thomas Rathay die Gelegenheit gibt, vor überzogenen Erwartungen an die Technik zu warnen. „Die beste Kamera ist die, die ich dabeihabe. Statt über fehlende Technik zu hadern, ist es besser, sich über den Bildaufbau Gedanken zu machen.“ Etwa wichtige Dinge eben nicht genau in die Bildmitte zu platzieren. Mitte ist wichtig, signalisieren alle Gruppenfotos, wo Chefs, Familienpatriarchen, Kanzlerinnen und Präsidenten im Zentrum sind. Aber die Wahrnehmungspsychologie hat anderes herausgefunden: „Selbst wenn man Leuten nur ein leeres weißes Papier zeigt, gucken sie zuerst nach rechts unten.“ Aufgabe des Fotografen ist es also: „Wir müssen wie beim Film auch beim Fotografieren Regie führen.“ Soweit die Theorie. In der Praxis hat der Himmel die Schleusen geöffnet. Aber es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur fehlende Kreativität. Mit kurzen Hosen und Trekkingsandalen führt Thomas Rathay die Gruppe auf die Hügel rund um Stömne, auf glitschige Wege zwischen moosbedecktem Granit, Farnfeldern und Bachläufen. Es ist die Stunde der Detail-Finder: glitzernde Tropfen, wasserüberspülte Steine, die Strukturen eines Farnfächers, die gewellten Lappen eines Riesenschwammes. Der leuchtet so grell-orange, dass der Belichtungsmesser astronomische Werte anzeigt.

Das Licht im Dunkeln finden - auch so eine Fotografenkunst. Der nächste Tag: Am Stora Gla tauchen die Paddel ins Wasser, lenkt die Gruppe die Boote durch ein Gewirr von Inselchen, oft nur ein Felsen mit einem Baum drauf. Die Sonne schüttet Silberlicht aufs Wasser, sobald man ins Gegenlicht guckt. Fotografieren, ermuntert Thomas Rathay: „Ein Dozent von mir hat gesagt, ein Foto ohne Gegenlicht kann kein gutes Bild werden.“ Jetzt leuchten die Bilder im Kamera-Display. Aber wenn der Hintermann stolz darauf ist, dass er den Vordermann so per Bild in die untergehende Sonne schickt - Thomas Rathay zerstört die Zufriedenheit. Zeigt auf die Horizontlinie, die der vorderen Person aus den Ohren wächst. Da hilft nur: den Standpunkt verändern. Also aufstehen oder mit der Kamera knapp übers Wasser, damit die Untersicht dramatische Dynamik ins Bild bringt. An einer Halbinsel knirschen die Boote auf die Uferfelsen. Hier sind eine Koje aus Baumstämmen, eine Feuerstelle, ein Trockenklo und einige flachere Stellen für die Zelte. Für zwei Nächte wird dieser doch weltenfernte Platz im Naturreservat Glaskogen, wo Luchs und Wölfe herumstreichen und die Biber Bäume fällen, das Quartier der Gruppe.

„Man nennt uns auch Fresssack-Reisen“

An jedem Ort bekommt die Gruppe eine Aufgabe. Hier heißt sie: Emotionen fotografieren. Und so lodern Flammen in Großaufnahme, spritzen Regentropfen im Alugeschirr, leuchtet der Regenbogen und schickt die blaue Stunde nach Sonnenuntergang ihr sattes Samtlicht in die Sensoren - Chiffren für Gemütszustände von der Sehnsucht nach Wärme bis zum Knurren der Mägen. Da sieht man dann Pfannen, in denen das Bannock braun wird oder die Pfannkuchen knusprig. Ach ja, das Essen. Ein entscheidender Faktor für die Fotowoche. „Man nennt uns auch Fresssack-Reisen“, sagt er grinsend. Groß geworden ist Rathay in der elterlichen Bäckerei in Brandenburg, 14 Jahre hat er als Konditor gearbeitet. Am Lagerplatz gibt er den Herrn der Pfannen am Feuer. Zwei gusseiserne hat er mit, und ständig bruzzelt, schmort irgendetwas darin. Oder er schlägt Flammen, wenn er Ananas mit Slibowitz flambiert. Zurück an Land geht es die nächsten Tage auf die Fahrräder, Hügel hoch, Hügel runter. Outdoor-Fotografie bleibt sportlich fordernd. Und auch fachlich.

Wie bringt man wieder Dynamik ins Bild? Mitziehen, was wieder und wieder geübt wird: Ein Teil flitzt auf dem Fahrrad vorbei, der andere Teil schwenkt das Objektiv mit, in der Hoffnung, den Fahrer scharf und den Hintergrund verwischt zu bekommen. Und spät am Abend wird an einer Brücke das letzte Licht des Tages mit den Scheinwerfern der Autos kombiniert. Am Schluss die Prüfung: der Dia-Beamer-Abend, vor versammeltem Haus. Alle Gruppen und das Hausteam um Benny, den stets gut gelaunten Studenten aus Budapest, gucken auf das Best-of der Fotofuzzies, wie die Gruppe im Haus genannt wurde. Eine perfekte Bilderparade - wie viel Ausschuss sich dafür angehäuft hat, muss ja keiner wissen. Wichtig allein: das Lob der Zuschauer. Als Bestätigung für eine Devise, die Thomas Rathay zu Kursbeginn ausgegeben hatte: „Lieber 30 gute Fotos statt 1000 Schnappschüsse.“

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Infos zu Schweden

Anreise
Eine vom Veranstalter angebotene Busanreise ab Münster (südlichster Zustieg) kann man mitbuchen. Wer noch Urlaub dranhängen will und selbst mit dem Auto anreisen möchte: Von Stuttgart aus sind es gut 1600 Kilometer, die unkomplizierteste Fährverbindung ist die „Vogelfluglinie“ über Fehmarn.

Infos dazu unter: www.schweden-urlauber.info/ vogelfluglinie/

Outdoor-Fotokurse
Die nächsten Outdoor-Fotokurse mit dem Stuttgarter Fotografen Thomas Rathay finden von 21. bis 30. August und von 28. August bis 6. September 2015 statt. Preis 909 Euro pro Person, bei eigener Anreise 659 Euro. Eine Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich, die maximale Gruppengröße sind acht Personen. Voraussetzungen: für „Fotobegeisterte, auch Anfänger“. Grundkenntnisse sind aber ganz nützlich, und ein bisschen outdoor-affin zu sein hilft auch, wenn die Wetterbedingungen mal etwas herber werden.

Veranstalter
Rucksack Reisen, 48153 Münster, Hammer Straße 418, Tel. 02 51 / 87 18 80, reisen@rucksack-reisen.de, www.rucksack-reisen.de