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Ein ungewöhnlicher Prozess wird gerade in Storkow verhandelt.

© dpa

Maskenmann-Prozess: Groteskes Schauspiel vor Gericht

Der Maskenmann-Prozess ähnelte am Donnerstag kurzzeitig einem Kabarett. Die Erzählungen eines Zeugen ließen Zweifel an der Substanz seiner Aussagen aufkommen – und im Gerichtssaal wird ein Boot begutachtet.

Erst erhob sich der Zeuge mitten in seiner Aussage bloß von seinem Stuhl. Da stand er dann, fast 1,90 Meter groß, und starrte zur Richterbank. Dann aber stürmte er los. Mit wilden, scheinbar unkontrollierten Ausfallschritten hetzte er durch den Saal. Der 59-Jährige sah aus wie ein Eisschnellläufer, der von Stromstößen durchgeschüttelt wird. Bühne für dieses Schauspiel war am Donnerstag der Prozess um den so genannten Maskenmann beim Landgericht Frankfurt/Oder, staunende Zuschauer waren die Richter, Staatsanwälte, Nebenkläger, Verteidiger und natürlich der Angeklagte Mario K.

Dabei hätte gerade dieser von der Show am wenigsten überrascht sein dürfen, jedenfalls wenn der Zeuge nicht gelogen hatte. Denn der war sich „bombensicher“, dass der Angeklagte ihm mit diesen grotesken Bewegungen entgegengekommen war, im November oder Dezember 2012 in der Nähe von Wendisch-Rietz. Wenige Wochen also nach der Entführung eines Millionärs in Storkow. Sekunden später wiederholte der Zeuge seine Zappelnummer. Wieder mal, wie bei der Befragung einer völlig überforderten Kriminologin, ähnelte der Prozess kurzzeitig einem Kabarett.

Vor seiner Einlage hatte der 59-Jährige erklärt, dass er am Steg seines Wassergrundstücks in Wendisch-Rietz ein zuvor nie gesehenes Kajak entdeckt hatte. Der Millionär von Storkow hatte der Polizei erklärt, er sei von einem Kajakfahrer über den Storkower See zu einer Insel geschleppt worden. Ob der Zeuge jenes Kajak gefunden hatte, das nun als Beweismittel im Gerichtssaal lag, wurde aber nicht klar.

Zweifel an Zeugenaussage

Aber schon bald stand ohnehin die Frage im Raum, wie viel Substanz letztlich die Aussagen des Zeugen überhaupt haben. Das lag an seinen weiteren Erzählungen. Denn nach dem Zusammentreffen mit dem wild zappelnden Mann habe er „in der Hölle gelebt“. „In der Hölle?“, fragte der Richter zweifelnd, als hätte er sich verhört. „Ja, in der Hölle, aus Angst“, antwortete der Zeuge. Zu Hause bat er umgehend um Polizeischutz.

Einen Radfahrer, der lediglich flott an seinem Haus vorbeigefahren war, verfolgte er mit seinem Auto und fotografierte ihn mit seiner Handykamera: Er fühlte sich bedroht. Dann fiel ihm ein Jogger unangenehm auf und löste erneut Argwohn aus. Die Erzählungen wurden immer wirrer, die Mordkommission spielte unvermittelt und unmotiviert eine Rolle, dann ein Polizeiauto, das am Straßenrand gestanden habe. Und zwischendrin zappelte er immer wieder zum Richtertisch, fünf-, sechsmal.

Verglichen zu dem 59-Jährigen wirkten die anderen Zeugen an diesem Prozesstag fast langweilig. Dabei hatte ein 63-Jähriger sogar von seinem „Schockerlebnis“ erzählt. Den Schock hatte ein Unbekannter ausgelöst, der plötzlich aus einem Waldweg aufgetaucht war, als der Zeuge spät in der Nacht mit seinem Hund spazieren gegangen war. Das war am 22. August 2011. Genau an jenem Tag, an dem nur zwei Kilometer entfernt der Maskenmann erstmal die Unternehmerfamilie P. überfallen hatte.

Fragen um das Kajak

Der 63-Jährige hatte den Unbekannten nur kurz gesehen. Der zog sich ruckartig eine Kapuze übers Gesicht, ging schnell in einen anderen Waldweg, packte dort ein Paddel, das im Gebüsch gelegen hatte, und verschwand. Das Gesicht konnte der Zeuge nicht erkennen. Allerdings meldete sich der 63-Jährige erst ein Jahr später bei der Polizei, als er über die Medien von der Entführung per Kajak erfahren hatte.

Die spannendste Frage zu dem Boot, das im Saal lag, lautete: Ist es jenes, an dem sich der Millionär festgeklammert hatte? Im Zeugenstand stand nun ein 47-Jähriger, der in der Gegend von Storkow und Bad Saarow Kajaks vermietet. Ihm war eines abhanden gekommen, nun sagte er: „Ich bin zu 99 Prozent sicher, dass es eines meiner Boote ist.“ Aber kann man so ein Kajak steuern, wenn ein 100-Kilo-Mann an ihm hängt? Ein Mitarbeiter des Bootsverleihers sagte als Zeuge: „Ich stelle mir es äußert schwierig vor.“ Einen Nebenkläger beeindruckte dies wenig. Die Polizei, erwiderte er, habe Tests vorgenommen. Resultat: „Man konnte das Boot steuern.“

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