Der Kuckuck ruft in aller Frühe um vier. Noch ist das Eilean Donan Castle in das Dunkel vorm Morgengrauen eingetaucht. Langsam huscht das Licht über die Bergzüge von Loch Lang, Duich und Alsh. Es kündigt einen wolkenlosen Tag auf der Isle of Skye an.

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In Filmen wie Mel Gibsons "Braveheart" von 1995 und dem letzten James-Bond-Streifen "Skyfall" von 2012 spielte Eilean Donan Castle bereits die wichtigste Nebenrolle.


Nix mit Nebel, obwohl der Name dieser Insel der inneren Hebriden auf Gälisch doch genau das bedeutet: "Insel des Nebels". In Filmen wie Mel Gibsons Braveheart von 1995 oder dem letzten James-Bond-Streifen Skyfall von 2012 spielte Eilean Donan Castle bereits die wichtigste Nebenrolle. Nun paddelt eine kleine Gruppe von acht Landratten um die schottische Burg. Selbst Unerfahrene spüren die Leichtigkeit des Vorangleitens.

Hier wird geduzt

Lutz Müller hat zuvor allen erklärt, wie es geht. Von der Seite einzusteigen ist wichtig, man hievt sich vorsichtig hinein, damit das Kajak nicht umkippt oder verkratzt wird. Die Plastiksäcke mit Zelt und Kleidung müssen längs zur Fahrtrichtung vertaut werden. "Mit einer leichten Drehbewegung im Handgelenk und einem vorausgreifenden Schlag wird des Paddels abwechselnd ins Wasser gestoßen", schärft Lutz ein. Schnell ist geklärt, dass hier geduzt wird.

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Der Hafen von Portree ist das Ziel einer zweiwöchigen Kajaktour um die schottische Isle of Skye.


Seekajakfahren im Zweier ist Teamwork. Lutz hat aber auch ein eigenes Interesse am richtigen Umgang mit Booten und Material. Er ist der Besitzer der gut 2.000 Euro teuren Kanadier-Kajaks. Seit fast 20 Jahren bietet der deutsche Kajakexperte weltweit Paddeltouren an. "Auf die Highlands hat mich aber erst Andreas Heinzl gebracht, der nach Schottland ausgewandert ist."

Postkarte für den Chef

Andreas ist mittlerweile eine Mischung aus Bayer mit englischem Akzent und Schotte mit bayerischem Deutsch. "I bin hier hängen blieben. War Computerexperte in München und wollte raus. Scho’ eine Reise nach Schottland hat g’reicht, und I hab mei’m Chef die Kündigung per Postkarte g’schickt", erzählt Andreas. Heute bietet er Wander- und Kajaktouren in den Highlands und auf den Hebriden an, wo er seine Freiheit gefunden hat.

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Die Meerenge von Kyle Rhea.


Beim Anlanden in Port Luinge wird klar, welche Freiheit Andreas meint. Zehn Kilometer sind wir gepaddelt. An der Meerenge von Kyle Rhea hatten wir die Isle of Skye vor Augen, sind unter der Brücke durch, die das Festland mit der Insel verbindet. Bis zu neun Knoten schnell, also fast 17 Kilometer pro Stunde, fließt die Strömung in dieser Enge, und es ist angenehm, dass wir mit dem Strom gleiten. Dann schwenken wir in eine Bucht. Es ist Ebbe. Port Luinge hat einen feinen weißen Sandstrand und rundgeschliffene Felsen.

Vor dem Sonnenuntergang sind die Kajaks an Land gezogen, die Zelte aufgebaut und aus herumliegendem Treibholz wurde ein Lagerfeuer entfacht. Im Schein der Flammen versinkt die Sonne als glühender Feuerball im Meer, die Highlands am Horizont leuchten rot auf.

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Für den Wahlschotten Andreas ist Plockton der schönste Ort seiner neuen Heimat.


Port Luinge ist jetzt ein Mix aus Seychellen-Romanze und eigenen Qualitäten: Hier kommt kein Auto her, es gibt keine Lodge und eine Strandbar schon gar nicht. Am späten Abend spazieren noch einige ins sechs Kilometer entfernte Plockton. Bis zehn gibt es dort Guinness vom Fass. Der Küstenort wird das Ziel der nächsten Paddeletappe sein.

Für den Wahlschotten Andreas ist Plockton der schönste Ort seiner neuen Heimat. Für uns birgt er Entdeckungen: Das Dorf-Pub ist auch Hotel, die ehemalige Kirche ist zu einem Loft umgebaut. Und in der Fish-and-Chips-Bude gibt es neben gebackenem Kabeljau auch das legendäre Haggis - Schafsmagen, gefüllt mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Zwiebeln, Pfeffer und Hafermehl. Genau das Richtige, um nach 15 Kilometer Paddelns wieder zu Kräften zu kommen.

Harmonie im Kajak

Inzwischen hat sich auch herauskristallisiert, wer im Zweierkajak zueinanderpasst. Der Vordere gibt den Takt an, der Hintere lenkt per Pedal das Seitenruder, gepaddelt werden muss synchron. "Das kann zu Konflikten führen", weiß Andreas. Vor allem langjährige Ehepaare setzt er als Tourguide ungern zusammen. "Die kennen sich seit Jahren ganz genau, merken aber oft erst in einem Boot, wie wenig sie harmonieren."

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Die Insel Raasay mit dem Raasay House - Jugendherberge und Hotel zugleich.


Nachdem uns Seehunde auf einer zehn Kilometer langen Etappe begleitet haben, erreichen wir die Insel Raasay. Beim ersten Cider im Pub des Raasay House bekommt das Glücksgefühl den wohligen Beigeschmack von Apfel. Erst vergangenes Jahr wurde das Herrenhaus nach einem Brand komplett renoviert, nun ist es Jugendherberge und Luxushotel zugleich. Kurz vor Mitternacht geleitet das letzte Tageslicht die Paddler aus dem Pub in ein bequemes Bett.

Feuchte im Gesicht

Doch das Wetter hat in der Nacht nicht geschlafen. Frühstückskaffee im Nebelgrauen. Feuchte schmiegt sich ins Gesicht, die Wolken zupfen an der Insel des Nebels. „Driech“ nennen die Schotten so ein Wetter. Noch zehn Kilometer Paddelns bis Portree. Doch die Kajaks bleiben trocken, nur der Schweiß tropft. Kaum an Land, kommt die Sonne durch. "Die zweitschönste Stadt in Schottland", geizt Andreas mit Worten über Portree. Wollen wir mal großzügig sein und es dem bayerischen Schotten einfach glauben. (Nicolas van Ryk, Rondo, DER STANDARD, 18.07.2014)