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Amtsgericht Borna

Nachwuchstrainer im Kanuslalom wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht

Der Bundesstützpunkt im Kanupark Markkleeberg war Haupt-Trainingsstätte des Angeklagten und seiner Gruppe.

Der Bundesstützpunkt im Kanupark Markkleeberg war Haupt-Trainingsstätte des Angeklagten und seiner Gruppe.

Borna. Ein schwerer Vorwurf des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener erschüttert den deutschen Sport – konkret die Sportart Kanuslalom am Bundesstützpunkt in Markkleeberg. Am Mittwoch begann am Amtsgericht Borna der Prozess gegen einen ehemaligen Nachwuchs-Bundestrainer des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV). Dem seit 2017 vom Verband gekündigten Thomas K. wird sexueller Missbrauch einer Sportlerin und die Belästigung weiterer Schützlinge vorgeworfen.

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Der Angeklagte äußerte sich zu Beginn der Verhandlung und wies jegliche Schuld von sich. „Das ist ein absolutes ,No-Go‘ als Trainer. Beim Lesen der Anklage wurde mir schlecht. Es gab nie mehr Kontakt als eine Umarmung“, erklärte der 46-Jährige.

Der Angeklagte soll im Juli 2014 eine 14 Jahre alte Kanutin des Leipziger Bundesstützpunkts in einem Trainingslager in Polen zunächst geküsst und ihre Hand dann in seinen entblößten Genitalbereich geführt haben. Im April 2015 soll er sich der dann 15-Jährigen in Brasilien im Vorfeld der Junioren-Weltmeisterschaften aufgedrängt haben. Ihm wird weiter vorgeworfen, der Athletin das T-Shirt, den BH und die Hose ausgezogen zu haben. Dann soll er sie auf einen Tisch gelegt und versucht haben, sie mit dem Finger vaginal zu penetrieren.

Rund zwei Stunden zog sich die Befragung der wichtigsten Zeugin, die sich den detaillierten Fragen des Gerichts stellen musste. Zunächst noch gefasst, berichtete sie über die Vorfälle mit ihrem damaligen Trainer, der auch andere Sportlerinnen belästigt haben soll. Insgesamt hatte das Gericht zum Prozessauftakt acht Zeugen geladen – unter anderem enge Vertrauenspersonen der betroffenen Sportlerinnen.

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Die Vorfälle waren erstmals im Juni 2017 bekannt geworden, als sich 13 Kanutinnen in einem anonymen Brief an den DKV gewendet hatten. Kurz darauf hatte der Verband den aus dem thüringischen Gera stammenden Juniorentrainer entlassen. Einige der Athletinnen, die den Brief gemeinsam verfasst hatten, erstatteten Anzeige. Weitere strafrechtlich relevante Vorwürfe gab es nicht. Dennoch wurden die Schilderungen der anderen Zeuginnen gehört und dadurch ein Bild des Angeklagten aufgezeigt, dass seine gesamte Arbeitsweise als Trainer in Frage stellte.

„Er hat das nie heimlich, sondern mit so einer Selbstverständlichkeit gemacht“, berichtet eine Kanutin aus Augsburg, die den Angeklagten auf Lehrgängen und Wettkämpfen kennengelernt hatte. Mitunter soll er seinen Schutzbefohlenen unangebrachte Kose-Namen gegeben oder ihnen als „Scherz“ den Bikini geöffnet haben. Auch soll er mehrfach seine Hand auf Autofahrten auf die Oberschenkel der Kanutinnen gelegt und Interesse am Liebesleben der Minderjährigen gezeigt haben.

Ehe sich die Athletinnen 2017 zusammentaten, wollte sich damit jedoch niemand an den Verband wenden. Eine Zeugin berichtete: „Ich wusste, dass er sich unangebracht verhalten hat, aber nicht in welchem Ausmaß.“ Der Prozess soll am 19. Dezember mit einer erneuten Befragung der Hauptzeugin fortgeführt werden. Ob dieser stattfindet, schien am Mittwoch noch unklar, da sich die Athletin zu dem Zeitpunkt im Ausland in einem Trainingslager befindet.

Die Verantwortlichen des DKV müssen sich nun die Frage gefallen lassen, ob sie nicht früher auf Ungereimtheiten im Verhältnis zwischen Thomas K. und seinen Sportlerinnen hätten reagieren müssen. Als Konsequenz möchte der Verband nun besser aufpassen und verdächtige Trainer genauer unter die Lupe nehmen, erklärte DKV-Präsident Thomas Konietzko der „Sport Bild“. „Wir müssen alle Trainer und Betreuer noch besser sensibilisieren, möglichst frühzeitig Signale, die auf einen Missbrauch hindeuten, ernstzunehmen und sofort zu reagieren“, so der Verbands-Chef: „Wenn ich höre, dass da schmutzige WhatsApps von Trainern an Sportler geschickt werden, das kann nicht wahr sein.“

Der amtierende Weltmeister Franz Anton vom Leipziger Kanuclub rief als Aktivensprecher zu mehr Offenheit auf:  „Allen Athleten kann ich nur sagen: Sobald es irgendwelche Anhaltspunkte gibt oder sie sich selber bei Vorkommnissen schlecht fühlen, dann sollen sie an mich oder andere Trainer herantreten. Die sind meiner Meinung nach alle sehr kompetent und einfühlsam. Da wird nichts unter den Tisch gekehrt! Wenn es ausgesprochen wird, liegt es als Fakt auf dem Tisch, und dann wird man sich als Verband der ganzen Sache stellen müssen.“

Von Tilman Kortenhaus

LVZ

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