Erste Signale erkennen

In der Forschung geht man davon aus, dass das Kindeswohl jedes vierten oder fünften Mädchens sowie jedes zehnten Jungen durch sexuelle Gewalt gefährdet ist. Archivfoto: dpa
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In Eltville hält die Wiesbadener Beratungsstelle Wildwasser einen Vortag zum Thema „Sexuelle Gewalt an Kindern“ vor 90 Teilnehmern.

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ELTVILLE. Ein fünfjähriges Mädchen will in der Kindertagesstätte das Nackedei-Spiel spielen und fordert einen Erzieher dazu auf, die Hosen auszuziehen, weil sie dabei seinen Pippimann küssen muss. So lautet das Fallbeispiel, das Brigitte Weiss von der Wiesbadener Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt, Wildwasser, ihrem Vortrag bei der Fachtagung in Eltville voranstellt. Den knapp 90 Teilnehmern, die nicht nur aus Kinderbetreuungs- sondern auch aus therapeutischen Einrichtungen oder dem Jugendamt kommen, möchte sie mit ihrem Vortrag verdeutlichen, in welcher Form und wem sich Kinder mitteilen.

450 Kinder- und Jugendliche suchen Unterstützung

Denn oft überlegten diese schon lange Zeit im Voraus, wem sie sich anvertrauen möchten, bevor sie von sich aus erste Signale senden. Selbst in dem gewählten Beispiel könne es sich zunächst aber nur um eine vage Vermutung für eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt handeln. Schließlich könnte das Nackedei-Spiel auch in einem heißen Sommer mit dem gleichaltrigen Cousin entstanden sein.

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In einem Gespräch müsse sich zunächst die Vermutung bestätigen, bevor es auf pädagogischer Seite darum gehe, sich um den Schutz des Kindes zu kümmern. Problematisch sei allerdings, dass in Untersuchungen festgestellt worden sei, dass weder pädagogische noch Polizeikräfte eine nennenswerte Rolle spielen, bei der Auswahl der Personen, denen betroffene Kinder sich offenbaren. In der Wiesbadener Fachberatungsstelle suchen pro Jahr rund 450 Kinder und Jugendliche Unterstützung, von denen jeweils etwa zwanzig Prozent aus dem Rheingau-Taunus-Kreis stammen.

In der Forschung geht man jedoch davon aus, dass das Kindeswohl jedes vierten oder fünften Mädchens sowie jedes zehnten Jungen durch sexuelle Gewalt gefährdet ist. Damit diese auch ihre Betreuungseinrichtung als einen sicheren Ort ansehen können, in dem sie in der Not Hilfe finden können, gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Das beginnt beim wertschätzenden Umgang im Kollegium, bei dem man mit gutem Beispiel vorangehen kann.

Ein Kummerkasten wiederum kann die Botschaft vermitteln, dass die Kinder auch in der Kita über ihre Sorgen reden können. Ob es sich nun um ein verstorbenes Haustier oder ein kaputtes Spielzeug handelt. „Wo kleiner Kummer Platz hat, hat großer Kummer auch Platz“, verdeutlicht Christine Raupp, die Geschäftsführerin der Wiesbadener Fachberatungsstelle Wildwasser. Wie man Kindern ein gutes Gegenüber für Freude und Sorgen sein kann, können die Teilnehmer im weiteren Verlauf der Fachtagung in Workshops auch bei Rollenspielen üben. Außerdem werden pädagogische Materialien vorgestellt, die Kindern bei der Selbstwahrnehmung helfen oder vermitteln, dass es völlig in Ordnung ist zu sagen, wenn ein Kitzelspiel auf einmal keinen Spaß mehr macht.