05.10.2018 | Kanu (Allg.)

Castroper Turnverein als "best-practice-Beispiel" der Vereinsentwicklung

Vereinsporträt Castroper TV 1874, Abteilung Kanu: Wiedererwecktes Engagement brachte die Wende
Castrober Turnverein - Abtl Kanu

Noch vor vier Jahren galt die Kanuabteilung des Castroper Turnvereins 1874 e. V. wohl eher als „graue Maus“ in der Vereinslandschaft Nordrhein-Westfalens. Die Mitgliederzahl dümpelte bei etwa 40 so vor sich hin, Vereinsaktivitäten ließen zu wünschen übrig und von einer Jugendarbeit konnte erst recht keine Rede sein. Heute, vier Jahre später, ist der Verein kaum wiederzuerkennen. #

Kanu-Abteilungsleiter Oliver Kalweit muss sich manchmal selbst kneifen, ob das wahr ist, was seit 2015 passiert ist. Den damals 37-Jährigen hatte die missliche Situation im Verein gestört und so entschloss er sich kurzerhand, die Leitung der Kanuabteilung zu übernehmen. Die Bedingungen beim Start waren alles andere, als man sich bei der Übernahme einer neuen Funktion wünscht: Unter den mehr oder weniger aktiven etwa 40 Vereinsmitgliedern fanden sich gerade mal vier Kinder – passive Mitglieder –, es gab keine Übungsaktivitäten und schon gar keinen Wettkampfbetrieb, es mangelte an Material und von der Kanuabteilung nahm kaum jemand Notiz – wahrlich keine guten Voraussetzungen für eine florierende Vereins- und Jugendarbeit.

Oliver Kalweit ließ sich dadurch nicht beirren, sondern nahm die Herausforderung an und hielt trotz aller Widrigkeiten an seinem Credo fest: „Eine tolle Zeit im und am Bootshaus verbringen zu können – das ist es, was ich den Kindern und Jugendlichen bieten möchte. Sie sollen spüren, dass sie mit dem Bootshaus einen Ort haben, wo sie ihre Freunde treffen, gemeinsam Spaß haben und die Freizeit sinnvoll verbringen können.“ Und er sagte sich damals, wenn schon Neuanfang, dann richtig. Ihm schwebte vor, die Kanuabteilung in vier Sparten zu entwickeln: Kanu-Rennsport, Kanu-Polo, Wildwasserrennsport und Kanuwandern, „so dass für jeden etwas dabei ist“, wie er sagt.


Piraten-Wochenende geriet zum Highlight

Er selbst ging mit gutem Beispiel voran und erwarb als erstes 2016 den C-Trainerschein Kanu-Rennsport. Ihm war aber auch klar, dass er seine Vision nicht allein erreichen konnte, sondern sich auf die Suche nach Mitstreitern machen musste. „Ich hab‘ mir damals die Liste der Mitglieder, die gekündigt hatten, vorgenommen und begonnen die Leute abzutelefonieren, ob sie nicht wieder in den Verein kommen möchten.“ Die Idee ging auf: Er konnte tatsächlich einige dazu animieren, sich wieder im Verein zu engagieren. Und er fand neue Mitstreiter, einen sogar in der Jagdhorn-Bläsergruppe, in der er mitwirkte, und von dem er nicht wusste, dass er Rennsporttrainer beim FS98 Dortmund war. Heute ist sein Bläser-Kollege ebenfalls beim Castroper TV, eine andere Mitstreiterin kam vom KEL Datteln. „Ich hab‘ schnell gemerkt, dass die Leute gern dorthin gehen, wo sich was tut“, sagt Oliver Kalweit. Das trifft auch auf die Mitgliederwerbung zu.

Den Castropern kam damals eine neue Initiative des Kanu-Verbandes NRW zur Hilfe. Oliver Kalweit und seine mittlerweile gefundenen Mitstreiter schlossen sich der Kampagne „Junge Paddelpiraten – Abenteuer im Kanu“ an und organisierten im Mai 2016 ein Piratenwochenende am Bootshaus, an dem 45 Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren teilnahmen und bei Sport, Spiel und Spaß ein tolles Erlebnis hatten. Der damalige Vorsitzende des Gesamtvereins Reinhard Nimz meinte nach dem Wochenende: „Wir fanden, dass ein solches Piraten-Event für uns der passende Einstieg ist. Wir haben entsprechend Werbung in den Schulen und in der Nachbarschaft dafür gemacht. Das hat offenbar die Kinder angezogen, die Resonanz aber hat uns echt überrascht, mit einer solchen Teilnehmerzahl hatten wir nicht gerechnet.“ Erfreulich war obendrein, dass sich direkt nach dem Piratenwochenende 6 Kinder für einen Vereinsbeitritt entschieden, die wiederum 4 weitere Kinder mitbrachten. Aus indirekter Resonanz zu dieser Veranstaltung kamen außerdem 8 weitere Neulinge hinzu, so dass der Verein insgesamt.

 

2016 nahmen die Castroper mit ihren Booten auch am Freibadfest in Castrop-Rauxel teil. So mancher wurde da auf den Kanusport aufmerksam und nutzte die Möglichkeit, ein paar Versuche im Paddelboot zu wagen. Im Ergebnis gewann der Verein weitere 10 neue Mitglieder, selbst Kinder aus anderen Abteilungen des Gesamtvereins wechselten zum Kanu. „Als die Kinder nun wieder zu uns kamen, mussten wir natürlich auch anfangen ein Trainerteam aufzustellen“, erzählt Oliver Kalweit. Er selbst kümmerte sich um das Rennsport-Training, noch im gleichen Jahr nahm er mit einigen seiner Schützlinge erstmals wieder an einer Regatta teil. In dem früheren Wildwasser-Fahrer Jan Schendekehl fand er einen jungen Mann, der sich für Kanu-Polo interessierte und 2016/17 die Trainer C-Ausbildung in der Sparte Kanu-Polo absolvierte. Die Castroper sind dann zur Kanu-Gesellschaft Wanderfalke Essen gefahren, haben sich dort das Polotraining angeschaut, Lust bekommen und sodann die Sparte bei sich im Verein eingeführt. Über eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion beschafften sie sich Tore und Equipment. Noch ist die junge Sparte beim Castroper TV im Aufbau, noch hat der Verein nicht genügend Spieler, um in den einzelnen Altersklassen komplette Mannschaften bilden zu können. Der Kontakt zum Polo-Fachwart des Kanu-Verbandes NRW aber ist hergestellt, als nächstes soll es sozusagen als Premiere für die neue Vereinssparte ein Freundschaftsspiel geben.

 

Rennsport-Nachwuchs verzeichnet erste Erfolge

Rasant voran ging es auch im Kanu-Rennsport. 2017 war der Verein bereits auf fünf Regatten vertreten und in diesem Jahr fuhren die jungen Rennsportler erste bemerkenswerte Erfolge ein: Bei der NRW-Landesmeisterschaft in Duisburg gewann der 12-Jährige Liam Buch die Mehrkampf-Wertung im Kajak, bei den 12jährigen Mädchen gab es einen zweiten Platz und in den Wettbewerben der Schülerspiele in der AK 8 und der AK 10 Gold und Bronze. Nur mit den Resultaten der Schüler B und C belegten die jungen Kanuten vom Castroper TV in der NRW-Nachwuchswertung einen komfortablen 16. Platz unter 26 Vereinen. Darüber hinaus trainieren derzeit zwei Mädchen in einem vom Duisburger Stützpunkttrainer André Brendel geleiteten landesweiten Projekt „Canadier Mädchen“ mit. „Wir versuchen, die Inhalte über den Spaß zu vermitteln“, beschreibt Oliver Kalweit das „Erfolgsrezept“, und das tun sie durchaus über die Spartengrenzen hinweg. So sind die Rennkanuten auch schon mal im Wildwasserboot unterwegs. „Bei uns lernen auch alle Kinder das Rollen“, so der Kanu-Abteilungsleiter.

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