Winterbach

Zukunftswerkstatt mit Arved Fuchs und Niko Kappel

Zukunftswerkstatt
Nach dem Vortrag von Arved Fuchs (Zweiter von rechts) gab es bei der Zukunftswerkstatt eine Diskussionsrunde mit Paralympics-Sieger Niko Kappel (links), Bürgermeister Sven Müller (rechts) und Unternehmer Volker Nonnenmann (von hinten), moderiert von SWR-Journalistin Stefanie Anhalt. © Palmizi / ZVW

Winterbach. Er ist bei minus 60 Grad ins ewige Eis gekrochen und hat in einem Kajak mitten im Winter Kap Hoorn umrundet. Arved Fuchs hat Dinge getan, da fragt sich der an sein warmes Sofa gewöhnte Normalbürger ungläubig: Was soll das? Bei der Zukunftswerkstatt des BdS erklärt der 63-Jährige, welche sehr pragmatischen Lebensweisheiten er aus Extremsituationen gezogen hat.

Video: Der Abenteurer und Polarforscher Arved Fuchs (63) spricht über Motivation.

Angekündigt ist Arved Fuchs in Winterbach unter anderem als „Abenteurer“. Er selbst hat auf seine Visitenkarte einen etwas geschäftsmäßigeren Titel gedruckt: „Expeditionsleiter“. Er frage sich oft, meint er, was die Leute denn meinen, wenn sie ihn als „Abenteurer“ bezeichnen. Seine eigene Definition von Abenteuer: „Das ist die Bereitschaft, aufzubrechen.“ Es sei damit nicht die Suche nach dem ultimativen Kick im Angesicht der Gefahr gemeint, vielmehr der Wille, das Unmögliche zu versuchen und möglich zu machen. „Das ist etwas Kreatives, was oben im Kopf stattfindet.“

Lehenbachhalle wie eine Arena bestuhlt

Insofern kann man es auch als kleines Abenteuer ansehen, was der Winterbacher BdS mit seiner Zukunftswerkstatt unternommen hat. Zumindest ist diese ohne Zweifel eine kreative Leistung, denn sie verlässt gewohnte Bahnen. Zum Beispiel war die Lehenbachhalle am Donnerstagabend nicht auf herkömmliche Weise in Reihen, sondern wie eine Arena bestuhlt: Arved Fuchs und die Moderatorin Stefanie Anhalt sowie später die anderen Diskussionsteilnehmer standen in der Mitte, während die Zuschauer in Kreisen rundherum saßen. Etwa 240 Menschen waren laut BdS da, fast alle Stühle waren besetzt, viele durch lokale Unternehmer und Geschäftsleute. Auf Bildschirmen an einem Gerüst über der Hallenmitte hatten die Zuschauer zudem das Geschehen auch aus anderen Perspektiven im Blick und konnten auf Fotos und kleinen Filmsequenzen Arved Fuchs bei seinen Abenteuern zusehen.

Die „Bedenkenträger“ und der Pragmatismus eines Abenteurers

Es ging bei der Zukunftswerkstatt um das Thema „Motivation“. Arved Fuchs hat sich in seinem Buch „Grenzen sprengen“ die Erfahrungen, die er auf seinen Expeditionen gemacht hat, auf den Alltag in einem Unternehmen übertragen. Gemeinsamkeiten gebe es viele, erklärt Fuchs in der Lehenbachhalle. Beide, der Expeditionsleiter und der Unternehmer müssten erfolgreich sein. Auf einer Polarexepidition gilt das im Extrem: Scheitern kann hier tödlich sein, der Erfolg ist das Überleben.

Polarforscher mit Status eines Freiberuflers

Fuchs’ Herangehen an seinen Beruf ist in vieler Hinsicht sehr nüchtern und unternehmerisch. Als junger Mann, erzählt er, seien ihm von der besonderen Spezies der „Bedenkenträger“ Existenzängste eingeredet worden, als er ernsthaft das Ziel verfolgte, Polarforscher zu werden. „Ich habe mir gesagt, du musst das ganz pragmatisch angehen: Du hast den Status eines Freiberuflers.“ Dieser könne sich kranken- und rentenversichern.


Ganz pragmatisch bereitet sich Fuchs auch körperlich vor. Er trainierte im Schockgefrierraum einer Schlachterei. Er entwickelte Strategien, statt sich Hals über Kopf irgendwo reinzustürzen, er überlegte: Was brauchst du? So überlegt, Schritt für Schritt, geht er an jede Expedition heran, und so bereitete er auch seine Winter-Umrundung von Kap Hoorn mit dem Kajak vor, von der ihm jeder sagte: Unmöglich. Doch gerade das hat ihn herausgefordert: „Etwas zu versuchen, von dem andere Leute sagen, das geht nicht, das ist Wahnsinn.“ Ihm gehe es darum, über den eigenen Tellerrand zu blicken, sagt Arved Fuchs: „Seine eigene Topografie der Grenzen muss man erkunden, dann kann man sie versetzen.“

Mit der Kälte aussöhnen

Das sind Lehrsätze, die aufs ganze Leben passen. Und noch so einer: Wenn man einmal einen Weg eingeschlagen habe, dann dürfe man nicht zaudern. Sonst werde man immer unzufrieden sein und bei seinen Vorhaben scheitern. Mit den Zumutungen, die einem begegnen, zu hadern, das verstellt für Fuchs den Blick aufs Wesentliche. Beispiel: der Umgang mit extremer Kälte, mit Temperaturen von minus 50 oder sogar minus 60 Grad. „Man muss sich mit der Kälte aussöhnen.“ Man müsse sie in den Hintergrund treten lassen, erst dann könne man die Schönheit der Polarregionen genießen: „Dann ist das, wie wenn einer ein Panoramafenster weit aufstößt.“

Kappel: "Erst mal muss ich mit mir selber klarkommen, dann kann ich mit dem Rest klarkommen"

Der Welzheimer Niko Kappel, einer der Teilnehmer der Diskussionrunde nach Fuchs’ Vortrag, bestätigt solche Erfahrungen. Seine spezielle Lebenssituation als Kleinwüchsiger ist für ihn gar keine so besondere, wie der Paralympics-Sieger im Kugelstoßen sagt: „Jeder hat so seine Vor- und Nachteile, mit denen er im Leben klarkommen muss.“ Jeder habe bestimmte Umstände, an denen er nicht rütteln könne. „Erst mal muss ich mit mir selber klarkommen, dann kann ich mit dem Rest klarkommen“, so Kappels Credo.

Wer am Südpol überleben will, schafft das nicht alleine

Zu diesem Rest gehören auch die Mitmenschen, im Leben wie auf einer Expedition. Denn wer am Südpol überleben will, der schafft das nicht alleine. 92 Tage war Arved Fuchs mit Reinhold Messner zur Durchquerung der Antarktis unterwegs. Ein Coup, der hinterher auch durch öffentlich ausgetragene Misstöne zwischen den beiden in den Schlagzeilen war. Sie hätten nach ihrer Rückkehr bis heute kein Wort mehr gewechselt, sagt Fuchs. Doch unterwegs hätten sie keine Probleme miteinander gehabt. Klar, es habe Reibereien gegeben. „Wir haben aber die Konflikte immer konstruktiv lösen können“, sagt er, weil jeder gewusst habe, nur gemeinsam, wenn jeder sein Ego zurückstellt, erreichen sie ihr Ziel.

Das Leben ist ein Abenteuer

Im Grunde läuft die Erzählung, die Arved Fuchs aus seinem Lebenslauf macht, auf eines hinaus: Das Leben ist ein Abenteuer. Man muss nur dazu aufbrechen. Und darf sich nicht selbst dabei im Weg stehen.

Ein guter Chef kann seine Leute allein lassen

Auf einem Segelschiff, im rauen Polarmeer sei die Floskel „an einem Strang ziehen“ gelebte Wirklichkeit, so Arved Fuchs. Das setze voraus, sagt er, dass die Mannschaft sich identifiziere mit der Aufgabe.

„Menschen schöpfen Motivation, wenn sie Mitgestaltung haben“, sagt Fuchs. Würden sie stattdessen nur Anweisungen empfangen, seien sie nicht motiviert.

Wichtig sei es auch, den einzelnen Mitgliedern der Mannschaft etwas zuzutrauen. Er müsse als Kapitän unter Deck gehen können, um sich auszuruhen, und dabei in der Lage sein, darauf zu vertrauen, dass die, die an Deck zurückbleiben, die Aufgabe mit der gleichen Motivation weiter betreiben.

Diese Haltung bestätigte bei der Zukunftswerkstatt der Unternehmer in der Diskussionsrunde, Volker Nonnenmann. Es sei in einem weltweit operierenden Unternehmen mit rund 70 Mitarbeitern nicht möglich, dass alles am Chef hänge. Er ist überzeugt davon: „Ein guter Chef kann zwei Wochen in den Urlaub gehen, ohne dass er jeden Morgen in der Hotellobby am Handy hängt.“