Geschafft! Das Dodil ist platt, aber ich bin überglücklich, den eisigen Parcours geschafft zu haben. Foto:Meister Geschafft! Das Dodil ist platt, aber ich bin überglücklich, den eisigen Parcours geschafft zu haben. Foto:Meister
Reportage

Isarschwimmen: Eiskalter Ritt im Wildwasser

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Warum man sich vielleicht doch einmal bei Nieselregen ins 16,5 Grad kalte Wasser trauen sollte – WR-Redakteurin machte beim jährliche Isarschwimmen der Münchner DLRG mit und fand heraus: Das ist eine riesen Gaudi.

Die durchtrainierten Surfer nehmen die Welle elegant, schwenken mit ihrem Board nach links und wieder nach rechts. Komisch allein schon das: Immerhin befinde ich mich an der Isar, es regnet, und das Übungsgelände der Süddeutschen ist eine Wasserwalze, durch die sich der reißende, aber nur etwa sechs Meter breite Fluss rauschend wälzt. Ich starre. Ich erstarre. Hier soll ich gleich durchschwimmen?

Vorher die Strecke anschauen– keine gute Idee... Foto:Meister

Vorher die Strecke anschauen– keine gute Idee… Foto:Meister

Das Isarschwimmen, veranstaltet vom DLRG-Ortsverband München-Mitte, lockt jährlich Mitte September ein paar hundert Schwimmer nach Bayern. Der nasse Parcours der 5,5 Kilometer langen Strecke zwischen dem Kraftwerk Pullach bis zur Floßlände in Thalkirchen sei eine „echte Gaudi“, wie mir mein Mann so glaubhaft versicherte, dass ich nun auch hier stehe. Und wackelige Beine bekomme.

Toilette? „Einfach laufen lassen!“

Das gibt sich auch nicht, als der Bus uns schließlich am Start absetzt; einem Deich mit Treppe zum Flussufer. Im Gegenteil. Der Fünf-Milimeter-Neoprenanzug beruhigt mich nur notdürftig. Apropros Notdurft – wo kann ich denn jetzt bloß noch einmal… Gar nicht. Wie auch? Wo? „Einfach im Wasser laufen lassen!“ ruft mir ein Hesse zu und alle um uns herum lachen. Okay, hinter dem schwimme ich also nicht her. Ich klammere mich an mein aufblasbares Krokodil. Es ist von meiner Tochter, heißt Dodil, und ist nicht gerade groß – aber es soll mich bitteschön über Wasser halten, während mich die Strömung durch Walzen, Strudel und über Rutschen treibt.

Aber jetzt erstmal die Flossen an und ab ins Wasser. Huch, kalt! 16,5 Grad klarer Gebirgsquell dringt in meinen Anzug, der Atem stockt. Einzig das Adrenalin hält dagegen. „Wir hatten hier auch schon 14 Grad“, prahlt ein kräftiger Schwimmer neben mir und krault davon. Die jüngste Teilnehmerin (mit dickem Schwimmring an Mutti angeleint) ist erst vier Jahre alt und grinst trotz der Kälte über alle Backen. Jetzt schäme ich mich ein bisschen.

Schnell nach links, sonst Kraftwerk-Turbinen

Doch die Strömung reißt mich und Dodil mit, ich fühle mich wie auf einer Rutschbahn und jauchze – das ist absolut herrlich. Ich kann mich langsam entspannen. Der Wald zieht vorbei, Hügel, ein paar Häuser mit bunten Blumen an den Fenstern. Vielleicht sollte ich den Rat des Hessen doch befolgen? Geht nicht, zu kalt für mich, meine Blase ist ein kleiner Klumpen. Da vorne kommt die Schleuse mit nur einem offenen Tor. Das darf ich nicht verfehlen. Und wenig später die Abzweigung nach links. „Was passiert, wenn wir den rechten Flussarm runterschwimmen?“ frage ich meine Begleiter. „Dann landen wir in den Turbinen des Kraftwerks“, ruft mit einer zu. Ich strampele hektisch.

Geschafft. Aber keine Zeit auszuruhen, jetzt wird‘s anspruchsvoll: „Da die Strecke von den Münchner Kanuclubs als Übungs- und Wettkampfstätte verwendet wird, befinden sich dort diverse Hindernisse und Rutschen, für deren Durchschwimmen eine gerade Fuß-voran-Haltung auf dem Rücken empfohlen wird“ heißt es auf der Homepage der DLRG.

Nach 48 eisigen Minuten ist die Gaudi vorbei

Ist mir doch egal, ich habe ja mein Krokodil. Neben mir drehen sich jetzt alle in Rückenlage. „Damit man nicht als erstes mit dem Kopf irgendwo gegenstößt, wenn man vom Wasser nach unten gezogen wird“, brüllt einer über das Tosen zu. Oh Gott, vielleicht sollte ich doch…? Moment. Tosen? Ach du Sch… Ich drücke mich an meinen grünen Freund und das Wasser reißt uns nach vorne, wir ribbeln am Grund der Rutsche entlang (hat sich hier nicht letztes Jahr einer den Anzug aufgerissen?), tauchen durch die Welle, schlucken Flusswasser – und sind durch. Der Wahnsinn… ich will gleich nochmal.

Tosen? Was für ein Tosen? – Kurz vor der Wasserrutsche bekomme ich Herzrasen.Fotos (3): Meister

Tosen? Was für ein Tosen? – Kurz vor der Wasserrutsche bekomme ich Herzrasen.Fotos : Zäh

Ein paar Wasserwalzen später ist die Gaudi schon vorbei. Am schlimmsten ist tatsächlich die letzte. Die, auf der vorhin noch die Surfer waren. Mit Wasser in der Nase, prustend, nach dem 48-Minuten-„Ritt“ auch zitternd und überglücklich strande ich schließlich am Ziel.
In der Hand einen heißen Tee mit Rum und im Arm das erschlaffte Dodil, schaue ich zurück: War krass, war toll, wir kommen wieder.

Das nächste Isarschwimmen findet am 16. September 2017 statt. Mehr Infos und Anmeldungen gibt‘s bei isarschwimmen.de

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